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125 Jahre FRVS – Rudern auf der Moldau

125 Jahre Frankfurter Ruder- und Kanusportverein Sachsenhausen 1898! Das wollten wir mit einer besonderen Wanderfahrt feiern. Nach Ankündigung, Vorbesprechung, Vorauswahl und Abstimmung unter den Interessierten fiel die Wahl auf die Moldau. Diese Wahl versprach nicht nur eine wunderschöne Natur, in Gedanken jederzeit untermalt von Smetanas unvergleichlichem musikalischen Denkmal, sondern auch einen gewissen Abenteuercharakter. Enttäuscht wurden wir nicht! Die gewählte Ruderstrecke verlief von Budweis bis Prag, verbindet also zwei größere Städte Tschechiens, und erlaubte uns mit nur einem PKW samt Bootshänger auf der Straße anzureisen und den Rest der Rudergruppe für eine entspannte Anfahrt auf die Schiene zu verlagern. Insgesamt war die Fahrt auf der Moldau von einer tiefen Ruhe geprägt und „traumhaft“ war das übliche Adjektiv, die Wanderfahrt später zu beschreiben; mit meist wenig Fließgeschwindigkeit ist die Strecke zwischen Budweis bis kurz vor Prag trotz der regelmäßigen Staustufen noch wild und man möchte fast sagen „naturbelassen“.
Die größte Schwierigkeit bei der Vorbereitung der Wanderfahrt war, die Kontaktaufnahme mit den Tschechen, die häufig kein Englisch und mit Glück ein wenig Deutsch konnten. Anrufe wurden in der Regel nicht entgegengenommen und selbst auf ins Tschechische übersetzte Mails haben fast nur Hotels und Campingplätze geantwortet.
Bei der Ankunft am Handycap-Ruderverein Budweis, zu dem im Vorfeld kein Kontakt hergestellt werden konnte, wurden wir nach anfänglicher Skepsis sehr freundlich empfangen und durften unsere beiden Boote dort über Nacht lagern und am ansonsten mit Stacheldraht abgesperrtem Steg ablegen. Dieser Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen sind wir in der tschechischen Provinz während unserer gesamten Fahrt begegnet. In Budweis, der beschaulichen Metropole Südböhmens, kann man im Stadtzentrum sämtliche Sehenswürdigkeiten fußläufig erreichen, gut böhmisch essen und die lokalen Biere kosten. Die Moldau ist in Budweis in Anbetracht ihrer zahlreichen, später auftretenden Stauseen relativ schmal und besitzt eine spürbare Strömung, sodass wir uns zu Beginn der Fahrt an Smetanas Komposition erinnert fühlten.

Bei bestem Wetter führte uns die erste Tagesetappe vorbei an vier ideal ausgebauten Schleusen, Kletterfelsen, dem schönen Schloss Hluboká und viel Wald nach Týn nad Vltavou. Der dortige Kanuverein hat uns den letzten für Ruderer geeigneten Steg vor dem Prager Stadtgebiet geboten. Außer der schönen Kirche hatte Týn nicht viel Sehenswürdiges zu bieten. Die kleine Pension am Kirchplatz war einfach aber sauber, das nahe gelegene Hotel hingegen eher eine zwielichtige Absteige. In beiden Unterkünften wurde wie an den meisten Stationen auf Barzahlung bestanden, sodass es essenziell war, sich mit genügend Bargeld einzudecken.
Die zweite Tagesetappe führte von Týn bis nach Podolsko. Die Landschaft auf diesem Stück ist geprägt von Wald und zwischen Bäumen versteckten Datschen. Menschen begegneten wir auf und an dem Fluss nur selten. Gegen Ende der Tagesetappe weitete sich die Moldau immer mehr und es wurde deutlich spürbar, dass wir uns bereits im Staubereich des mächtigen Orlik Staudamms befanden, den wir am Ende der nächsten Tagesetappe erreichen wollten. Unterhalb der imposanten Straßenbrücke Podolsko legten wir am Sandstrand an und zelteten auf einer Wiese. Die geplante Unterkunft in Bungalows wurde uns kurz vor der Fahrt aufgrund von Pachtstreitigkeiten abgesagt. Der engagierte Betreiber hatte uns daraufhin die Zeltmöglichkeit und sanitäre Infrastruktur arrangiert. Aktuell baut er seine Burger Bar und Unterkunft neu auf, sodass dort für zukünftige Moldaufahrten eine bessere Infrastruktur vorzufinden sein dürfte.

Die Strecke des dritten Rudertages führte uns bis zum eindrucksvollen Orlik Staudamm. Auf den ersten 25 km dieser Strecke bietet die Moldau eine Seenlandschaft die auch passionierte Kanadaurlauber begeisterte. Zudem konnten mit der mittelalterlichen Burg Klingenberg an der Einmündung der Otava und dem sich in Privatbesitz befindendem Schloss Orlik zwei eindrucksvolle Sehenswürdigkeiten vom Wasser aus bestaunt werden. Am Nachmittag ruderten wir mit zügigem Schlag und Gegenwind bis zur Staumauer, in der Hoffnung dort noch vor Dienstschluss den Bootsaufzug nutzen zu können. Vor Ort wurde uns mitgeteilt, dass dienstags Ruhetag ist und unsere Boote am Folgetag ab 8 Uhr mit dem Aufzug die Staumauer überwinden könnten. Der Ruhetag ist in den Schleuseninformationen auf lavdis.cz genauso wenig erwähnt wie das Online-Reservierungssystem, auf das uns das Personal schließlich am Mittwochmorgen aufmerksam machte. Zumindest die Information zum Registrierungssystem konnte im Nachgang der Fahrt auf lavdis.cz in einem Popupfenster auf der Ende Mai aktualisierten Übersichtskarte zur Moldau gefunden werden. Vorsorglich, hatten wir als Unterkunft ohnehin den Campingplatz direkt vor der Staumauer gewählt. Der Platz war schön gelegen mit fantastischer Badebucht an der Moldau, nur die Bungalows sind nicht zu empfehlen. Mangels geöffneter Restaurants fuhren wir zum Abendessen in das naheliegende Bohostice, wo wir in einem kleinen, lokalen Slowfood-Restaurant bestens bewirtet wurden.

Der vierte Rudertag begann mit der eindrucksvollen Fahrt mit dem Bootsaufzug. Das sehr freundliche Personal hatte in der Zentrale alles stehen und liegen gelassen, um uns trotz fehlender Online-Reservierung über den Staudamm bringen zu können. Auf dem Aufzug können Boote mit einer Länge von bis zu zehn Metern transportiert werden. Dabei schweben bestimmt drei Meter des Hecks frei, sodass bei der Drehung des Aufzugs auf der Spitze des Staudamms ein Bauzaun um ein paar cm weggedrückt werden musste damit alles passte. Nach dieser aufregenden Fahrt führte uns die Moldau durch die landschaftlich wunderschöne Flussschleife bei Solenice; einen Landausflug auf den Aussichtsturm haben wir bedauerlicherweise nicht geschafft. Der restliche Rudertag verlief unaufgeregt und es fiel auf, dass wir uns langsam Prag näherten, da immer mehr Hausboote am malerischen Ufer lagen. Unser Tagesziel war Cholin, wo wir in einer sehr angenehmen Pension übernachteten und grillten.

Am fünften und vorletzten Rudertag fuhren wir von Cholin nach Davle, einer kleinen Stadt vor Prag. Die ersten 25 Ruderkilometer führten uns über den Stausee zur Slapy Staumauer. Die Landschaft wurde zunehmend schroffer mit überwiegend steilabfallenden Felswänden und zahlreichen, teils abenteuerlich in den Hängen gebauten Datschen. Unsere Boote transportierten wir mit unserem Bootsanhänger um die Staumauer herum, da der dafür vorgesehene Traktor donnerstags nicht fährt. Zwischen Staumauer und der nächsten Schleuse liegt ein sehr idyllischer Flussabschnitt, mit ausschließlich Wald, Felsen und selbst gebauten Anlegestellen am Ufer. Ab der Schleuse Štĕchovice werden Sportboote stromab nur zur ungeraden Stunde geschleust. Die Schleusenwärterin hat uns daher in der Schleusenkammer auch zwanzig Minuten warten lassen, bis sie die Schleusung pünktlich um 17 Uhr startete. Unmittelbar nach der Schleuse änderte sich die Landschaft plötzlich. Am Ufer lagen nun kleine Orte mit Straßen, auf denen morgens eine Autokarawane nach Prag und abends wieder zurück rollt. Nach der Einmündung der Sázava erreichten wir Davle, wo wir unsere Boote sehr kompliziert an einer Rampe herausnahmen. Im Hotel Zur alten Brauerei, versuchte man uns übers Ohr zu hauen, indem der doppelte Preis verlangt wurde und zwar sofort in Bar. Nach kurzer Diskussion zahlten wir nur den eigentlichen Preis, aßen dann aber lieber außerhalb zu Abend. Die Pizzeria war sehr gut und bietet für kleinere Gruppen auch Zimmer an.
Der letzte Rudertag bis Prag hatte landschaftlich nicht mehr viel zu bieten. An beiden Schleusen wurden wir ohne Wartezeit geschleust, sodass wir schnell in Prag waren und mit Blick auf den Burgwall Vyšehrad unsere Wanderfahrt am Campingplatz beendeten. Somit begann und endete unsere Wanderfahrt wie Smetanas Komposition.

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